Welttag der Ergotherapie

Wenn der Alltag mehr Freude macht

Sich ankleiden, das Frühstück zubereiten oder sich mit einer Freundin zum Kaffeetrinken treffen: Was einfach und selbstverständlich klingt, müssen Menschen nach einem Unfall oder aufgrund einer Krankheit wieder erlernen und üben.

Das Ziel der Ergotherapie ist, die Handlungsfähigkeit zu fördern, um bedeutsame Tätigkeiten im Alltag ausführen zu können. Beate Müller gehört zum neunköpfigen Team der Ergotherapeutinnen beim Roten Kreuz Baselland. Die Therapeutinnen behandeln Patient/innen in den eigenen Praxisräumlichkeiten, an den Heilpädagogischen Schulen in Münchenstein und Liestal, zu Hause oder in Heimen. Wenn es die Distanz erlaubt, ist Beate Müller zu den Klient/innen mit dem E-Bike unterwegs, ansonsten mit dem Auto.
 

Markus Leu*, Mitte vierzig und gelernter Automechaniker, erhielt vor neun Jahren die Diagnose Multiple Sklerose (MS). Aufgrund der fortschreitenden Krankheit ist er seit zwei Jahren auf einen Rollstuhl angewiesen. «Beim Essen fällt mir oft die Gabel aus der Hand oder das Essen fällt runter. Das ärgert mich und ist mir peinlich. Ich möchte mit meiner Ehefrau zuhause essen, ohne mich ständig zu bekleckern. Auch wenn ich langsamer bin als meine Frau, ist es mir wichtig, selber per E-Banking Rechnungen zu bezahlen.» Beate Müller analysiert die Situation zuhause bei Herrn Leu. Sie zieht einen Orthopädietechniker bei, mit dem der Rollstuhl an die verschlechterte Rumpfstabilität von Herrn Leu angepasst wird. Ein anderes Sitzkissen bringt unter anderem mehr Stabilität. Eine am Esstisch und am Pult angebrachte Armauflage bietet zusätzlich Unterstützung. Frau Müller erprobt mit ihm verschiedene Spezialbestecke. Dank einer Griffverdickung und einer angewinkelten Gabel gelingt es Herrn Leu, die Gabel zu halten und gezielt zum Mund zu führen. Ergänzend zu diesen Interventionen stellt ihm Frau Müller gezielte Übungen zur Kräftigung der Arm- und Handkraft zusammen. Herr Leu führt dieses Eigentraining täglich durch, was zu weiteren Erfolgserlebnissen führt. Jetzt, wo es ihm gelingt, selber und ohne sich zu bekleckern zu essen, macht das Essen wieder mehr Freude. Das Ehepaar Leu lädt nun auch wieder Gäste zu sich zum Essen ein. Ferner ist Herr Leu froh, kann er seine Frau etwas entlasten, indem er selber Administratives am PC erledigt.
 

Adrian* ist ein aufgeweckter Erstklässler. Im 2. Kindergartenjahr wurde eine motorische Entwicklungsverzögerung diagnostiziert. Das Ausschneiden von einfachen Formen mit einer Schere missriet. Er konnte im Gegensatz zu seiner jüngeren Schwester nicht auf einem Bein hüpfen. Beim Basteln war Adrian oft vom Resultat frustriert, weil es nicht so schön aussah, wie das der anderen Kindergartenkinder. Laut Mutter und Lehrperson verweigerte er zunehmend Tätigkeiten, die feinmotorische Fertigkeiten erforderten. Im Hinblick auf die Einschulung empfiehl die Lehrperson deshalb Ergotherapie, welche vom Kinderarzt verordnet wurde.

Adrian kommt einmal die Woche in Begleitung seiner Mutter zu Frau Müller in die Ergotherapie. Hier im geschützten Rahmen malt er z.B. mit Fingerfarben, kleistert oder formt eine Ton-Figur, wodurch seine Feinmotorik gefördert wird. Die Bewegungsspiele in der Ergotherapie machen Adrian Spass. Er wird zunehmend geschickter und mutiger beim Balancieren und Klettern im Bewegungsraum. Als Weihnachtsgeschenk hat er für die kleine Schwester eine Schatzkiste gezimmert, bunt angemalt und mit Perlen verziert. Die Mutter erzählt zum Jahresbeginn, wie Adrian das Geschenk stolz der Schwester überreicht habe. Im Austausch mit der Lehrperson freut sich Frau Müller zu hören, dass Adrian nur noch selten beim Schreiben frustriert den Stift wegwirft.

* Namen aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes geändert.

Der Welttag der Ergotherapie wurde 2010 vom Weltverband der Ergotherapeuten (WFOT) eingeführt. Auf der ganzen Welt wird am 27. Oktober auf die Wirksamkeit der Ergotherapie aufmerksam gemacht. Zusammen mit der Ergotherapie des Roten Kreuzes Baselland finden Klientinnen und Klienten wieder zurück zur Selbstständigkeit.